Abschied von der alten Ordnung

Amerika verliert an Strahlkraft: Schulden, Handelskriege und Dollar-Schwäche. Der MSCI World wankt und mit ihm ein Anlageklassiker. Warum Anleger umdenken müssen

War da was? Die Wall Street notiert wieder im Plus, der Dax hat neue Rekordhochs erklommen und die wenigen Wochen des Bärenmarkts nach dem großen Kurseinbruch im April scheinen beinahe schon vergessen. Alle Verluste sind wettgemacht. Kann es also weitergehen wie bisher?

Leider nicht. Zu viel hat sich verändert. Anleger müssen umdenken. Lange Zeit galt: Wer sich nicht in Selbstüberschätzung an Einzelaktien versuchte, sondern ruhig und breit gestreut investierte, war mit einem ETF auf den MSCI World gut beraten. Der Index, dominiert von finanzstarken US-Technologiewerten, erzielte 2023 ein Plus von über 24 Prozent, 2024 rund 19 Prozent – besser als die meisten aktiv gemanagten Fonds, und das zu einem Bruchteil der Kosten.

Doch dieser Index schwächelt inzwischen. Und das hat weniger mit der Welt zu tun als mit den USA. Denn obwohl der MSCI World über 1.700 Unternehmen aus der ganzen Welt enthält, entfallen rund 73 Prozent seines Wertes auf US-Aktien. Japan und Großbritannien folgen mit jeweils 3,5 Prozent, während China, Indien oder Taiwan gar nicht vertreten sind. In Wahrheit ist der „Welt“-Index ein US-Index mit Beigemüse.

Wenn die USA Probleme hat, dann hat sie auch der MSCI World. Amerika hat ernsthafte Probleme und sie sind mehr als nur eine Schwächephase, die es immer wieder mal gibt. Es gibt einige Anzeichen, dass sich die Erfolgsgeschichte des MSCI World in den kommenden Jahren nicht fortsetzen wird. Wenn das stimmt, müssen Anleger umdenken und umschichten.

Der Bondmarkt hat Donald Trump diszipliniert – ein klares Signal dafür, dass ein Zeitalter endet

Ein erstes Warnsignal kam vom Bondmarkt. Anfang April kündigte Donald Trump massive Importzölle an, gegen China sogar bis zu 140 Prozent. Das versetzte Unternehmen und Märkte in Schockstarre. Wären diese Pläne umgesetzt worden, drohten den USA eine Rezession, dem Welthandel ein Einbruch, und den US-Konsumenten eine neue Inflationswelle – mit entsprechend steigenden Zinsen. Normalerweise flüchten Investoren in so einer Krisenlage in den Dollar und in US-Staatsanleihen. Doch diesmal geschah das Gegenteil: Aktien, Anleihen und der Dollar wurden gleichzeitig verkauft. Sogar die Hedgefonds spekulierten gegen amerikanische Anleihen, ein Novum an den Kapitalmärkten. Das war ein klares Misstrauensvotum gegen die Stabilität der US-Finanzpolitik. Trump musste zurückrudern.

Der Bondmarkt disziplinierte Trump, ein klares Signal dafür, dass ein Zeitalter endet. Seit der Asienkrise 1997/98 hatten zahlreiche ostasiatische Länder ihre Wirtschaft auf Export ausgerichtet und ihre Devisenreserven in US-Dollar-Anlagen geparkt. Diese Kapitalzuflüsse hielten den Dollar stark und die US-Zinsen niedrig – ein zentraler Grund für den Boom an den US-Börsen seit 2009. Doch Trump will dieses Modell beenden. Er sieht darin eine Ursache für die Deindustrialisierung der USA. Die hohe Nachfrage nach US-Anleihen stützt den Dollar, was Exporte verteuert und heimische Industriearbeitsplätze verdrängt – besonders im wirtschaftlich angeschlagenen Rust Belt.

Der MSCI World verliert an Strahlkraft

Diese Analyse ist nicht falsch, und sie trifft auf ein geopolitisch verändertes Umfeld. Die Globalisierung unter US-Vorherrschaft geht zu Ende, die Handelskonflikte nehmen zu, die Rivalität mit China prägt zunehmend die Wirtschaftspolitik. Europäische Konzerne werden mit Zuckerbrot und Peitsche in die USA gelockt. Trump sind die geo- und industriepolitischen Ziele der USA näher als die Interessen globaler Anleger. Die waren dank einer historisch starken Wall Street in den vergangenen zehn Jahren zweistellige Renditen gewohnt. Diese mit einem breiten Indexfonds etwa auf den MSCI World zu erreichen, könnte künftig schwieriger werden.

Ein zweites Warnsignal ist die wachsende Verschuldung der Vereinigten Staaten. Mit einer Schuldenquote von 121 Prozent des BIP und jährlichen Zinszahlungen von über 1,1 Billionen Dollar zweifeln internationale Investoren – insbesondere aus China und Japan – zunehmend an der Tragfähigkeit der US-Finanzpolitik. Je höher die Zinsen, desto schwerer wird es, neue Käufer für US-Staatsanleihen zu finden. Doch ohne Vertrauen in US-Anleihen – dem Fundament globaler Liquidität – gerät das gesamte Finanzsystem ins Wanken. Der Bondmarkt fürchtet eine Abwärtsspirale: steigende Zinsen führen zu steigender Verschuldung, diese wiederum zu höherer Inflation. Zwar könnte die Fed theoretisch Geld drucken, doch würde das mittelfristig das Vertrauen weiter erschüttern. Trump hat das Schuldenproblem nicht geschaffen, er packt es aber auch nicht an.

Die Folge ist, dass sich nun ein Zug der Investoren in Marsch gesetzt hat, abseits des US Kapitalmarkts nach sichereren und attraktiveren Alternativen zu suchen. Das Kapital fliesst aus den USA vermehrt nach Asien und Europa. Asiatische Währungen gewinnen gegenüber dem Dollar. Dies könnte der Beginn eines neuen Zeitalters sein – so prägend wie die Phase der Dollar-Dominanz seit 1998.

Zudem sind Aktien außerhalb der USA deutlich günstiger bewertet. Vor allem in Europa und Japan bieten sich interessante Value-Gelegenheiten. Der Mythos vom US-Exzeptionalismus – die Idee, dass amerikanische Aktien immer besser abschneiden – war auch ein Produkt gigantischer Defizite. Zwischen 2021 und 2024 lag das US-Haushaltsdefizit im Schnitt bei 8,5 Prozent des BIP – ein künstlicher Wachstumsschub für Unternehmensgewinne.

Diese Phase könnte jetzt enden. Denn das Kurs-Gewinn-Verhältnis der Unternehmen der Nasdaq 100 lag zuletzt bei 32, so hoch wie seit 15 Jahren nicht mehr. In dem Maße, wie aus dem US-Markt die Luft entweicht und sich USA und China gegenseitig in einem Handelskrieg aufreiben, könnte der europäische Markt weiter zulegen. Die internationalen ETF-Anleger steuern bereits seit Februar um. Nach Angaben des Fondsanbieters Amundi zogen die Anleger allein im Februar 400 Millionen aus reinen US-ETFs ab und steckten mehr als das Zwanzigfache, 9,6 Milliarden Euro, in europäische ETFs. Anlagemanager Hendrik Leber von Acatis will den Aktienanteil vieler Länder anheben, den der USA aber von 50 auf unter 40 Prozent senken. Europa gilt als nicht so risikobeladen wie die USA. Und es waren nicht nur US-Aktien und amerikanische Anleihen, die beim jüngsten Crash gelitten haben, auch der Dollar befindet sich seit Anfang Februar in einer Abwärtsspirale. Auch wer in einen Weltindex wie den MSCI World investiert ist, trägt ein US Dollar Risiko.

Nun wollen die Leser dieser Seiten nicht permanent mit den Problemen ihrer Geldanlage konfrontiert werden. Erratischer Aktionismus ist ihnen ein Greuel. Doch jetzt könnte es selbst für hartgesottene Tachinierer Sinn machen, einige Eckpfeiler ihrer Vermögensanlage neu zu justieren. Wenn der Dollar an Wert verliert und selbst US-Staatsanleihen nicht mehr den gewohnten Schutz bieten, sollte die Anlagestrategie an die neue Realität angepasst werden.

Für viele Profis ist die Sache klar. Europa könnte an den Finanzmärkten eine Renaissance erleben. Anders als die USA leidet der alte Kontinent unter einem anämischen Wachstum. Während die US-Wirtschaft pro Jahr 2,5 % Prozent Wachstum verbuchen kann, leidet die größte europäische Volkswirtschaft, Deutschland, unter Nullwachstum. Der neue deutsche Kanzler Friedrich Merz plant hohe Kredite für Investitionen. Er möchte mehr Geld in die Verteidigung und in die Infrastruktur stecken.

Das ist eine Agenda, mit der sich die Märkte anfreunden können. Für den Kapitalmarkt sind Investitionen in Bahngleise, Brücken und baufällige Schulen attraktiver als flächendeckende Subventionen quer über das Land. Den Deutschen kommt zugute, dass ihre Staatsschulden im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt relativ niedrig sind. Während Japan bei einem Schuldenstand von 251 % liegt, die USA bei 121 % und die Briten bei 102 % , scheint Deutschland mit nur 63,5 % ein Musterland der Stabilität zu sein. Nur Norwegen (43%), die Schweiz (32%) oder Dänemark (28%) haben noch weniger Schulden. Die Anleger werden sich mit einer Welt aus etwas mehr Schulden und deutlich mehr Wachstum arrangieren. Doch das setzt voraus, dass sich deutsche Anleger in der Zusammensetzung ihres Vermögens etwas anders positionieren und ihre Gläubigkeit an die US-Märkte kritisch hinterfragen.

Historisch betrachtet sinkt die künftige Rendite, je höher die Bewertung beim Einstieg ist. Derzeit liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des S&P 500 bei über 22. Bei solchen Bewertungen war in der Vergangenheit nur mit mageren Renditen von +2 bis –2 Prozent pro Jahr zu rechnen.

Angesichts all dessen erscheinen die Bewertungen außerhalb der USA attraktiver. Europa und Japan sind günstig bewertet und erhalten fiskalpolitischen Rückenwind. Wer heute auf breite US-Indizes setzt, tut gut daran, innezuhalten – und sich neu zu orientieren.

Wie anlegen?

Anleger, die sich nicht jeden Tag um ihre Geldanlage kümmern wollen, sollten für die nächsten Jahre drei Dinge beachten.

Die Risiken an den Märkten haben tendenziell zugenommen. Die Bewertungen an den Aktienmärkten sind ambitioniert, das erhöht die Volatilität den Märkten. Anleger reagieren am besten darauf, in dem sie ihre Aktienquote im Depot um 10 bis 15 Prozent reduzieren. Zwar dürften Aktien auch in den nächsten Jahren die rentabelsten Anlageobjekte bleiben, aber man sollte nicht darauf bauen, dass die Aktienmärkte jedes Jahr zweistellige Renditen abwerfen. Und anders als zuletzt spricht jetzt einiges dafür, mehr in europäische Aktien und etwas weniger in amerikanische Aktien zu investieren. Zur Beimischung eignet sich der Amundi Stoxx Europe 600 ETF, der die 600 größten Unternehmens Europas abbildet. Dieser ETF hat in den letzten drei Jahren kumuliert um gut 45 Prozent zugelegt  und mit laufenden Kosten von jährlich 0,07 % ist er beispiellos günstig zu haben (WKN LYX0Q0). Wer weltweit anlegen möchte, kann den Xtrackers MSCI World ex USA kaufen, also weltweite Aktien ohne US-Titel (WKN DBX0VH). Wer weniger riskant in den USA investieren möchte, kauft den Xtrackers S&P 500 Equal Weight. Alle 500 Titel werden mit jeweils 0,2 Prozent gewichtet, damit ist man vor der Übergewichtung der Tech-Multis geschützt (WKN A1106A). 

Gold gehört weiterhin in jedes Depot. Zwar ist Gold nach einem gut 20jährigen Run nicht mehr günstig und das gelbe Geld wirft auch keine Zinsen ab, aber Gold bleibt die „Versicherung gegen den Untergang der Welt“. Längst lautet der Kosename für das gelbe Metall Tina („there is no alternative“). Die Marktkapitalisierung des Edelmetalls liegt bei gut 21 Billionen Dollar, das ist kein Betrag mehr, den man ignorieren sollte. Das wertvollste Unternehmen der Welt, Apple, bringt es nur auf 3,3 Billionen Dollar. Ob nun 5, 10 oder 20 Prozent der richtige Anteil im Depot ist, muss jeder Anleger für sich selbst entscheiden und hängt davon ab, ob man bereits Gold besitzt oder nicht. Wer sich nicht aufwändig Goldbarren ins Schließfach legen will, kauft das Zertifikat der Deutschen Börse, das börsentäglich ge- und verkauft werden kann und jederzeit vom Emittenten gegen eine kleine Gebühr in physisches Gold umgetauscht werden kann. Ein Anteil kostet derzeit 91 €, die WKN lautet A0S9GB.

Zinsanlagen sind zwar etwas langweiliger als Aktien, aber sie sind in schwierigen Börsenzeiten auch deutlich weniger riskant. Auch hier die Empfehlung, weniger Dollar-Anleihen und etwas resilientere Währungen wie den Euro, den Schweizer Franken oder die Norwegische Krone zu präferieren. Zehnjährige deutsche Staatsanleihen werfen knapp 2,5% an Zinsen ab, wer sich auch an höher verzinsliche High Yield Anlagen traut, ist mit dem Franklin High Yield Fund (WKN 694151) gut bedient. Dieser Fonds kostet zwar einen Ausgabeaufschlag von 3 Prozent und notiert in US-Dollar, hat in den letzten 5 Jahren aber 24 Prozent Rendite erwirtschaftet. Auch ein Cash-Anteil von 10 bis 15 Prozent ist eine gute Überlegung. Zwar ist Cash ungeschützt der Inflation ausgesetzt, aber der Anleger ist damit jederzeit in der Lage, Opportunitäten an den Finanzmärkten auszunutzen

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