Frugaler Wohlstand

Unser extremer Umweltverbrauch ruiniert den Planeten. Doch wie kann eine mass-volle Wirtschaftsweise gelingen? Mit Entschleunigung, Entflechtung, Entkommerzialisierung und Entrümpelung

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Im Festkalender des Konsumkapitalismus ist der Black Friday ein hoher Feiertag. Wer schnell ist und clever, wird durch Schnäppchen gesegnet. Der Tachinierer umgeht dieses Konsumritual.

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Wo bleibt die Muße?

Wenn wir in unserer Umgebung wieder genügend Orte vorfinden, die Muße und Besinnung zulassen, werden wir auch wieder mehr Zeit haben.

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Fast Fashion – Wie Beschleunigung und Profitgier Mensch und Umwelt massiv schädigen

Früher lösten sich Modetrends alle zehn Jahre ab, bevor es Zeit wurde für etwas Neues. Heute jagt ein Modehype den nächsten. In den 50er Jahren gab es Petticoats und Stöckelschuhe, in den 60ern Miniröcke und Schlaghosen, in den 80ern Leggings. Das Modekarussell, von wenigen Großkonzernen wie Zara (Inditex), H&M oder Louis Vuitton (LVMH) angetrieben, beschleunigt sich rasant.

Wir kaufen im Schnitt doppelt so viele Kleidungsstücke pro Jahr, tragen diese allerdings nur noch halb so lang wie noch vor 15 Jahren. Modeshopping artet in Stress aus, weil viele Konsumenten wollen up to date sein wollen. Fast Fashion ist ein treffender Name für diese irre Geldmaschine, denn ein zentrales Element dieser Fehlentwicklung ist die Beschleunigung. „War die Lebensdauer eines Modetrends vor der Digitalisierung noch ein Jahrzehnt, so ist sie jetzt nur noch eine Saison“, schreibt Carl Tillessen in seinem erhellenden Sachbuch „Konsum – Warum wir kaufen, was wir nicht brauchen.“ Die Trenddauer hat sich um 95 Prozent verkürzt, von zehn Jahren auf ein halbes Jahr, dann muss ein neuer Look her.

War die Lebensdauer eines Modetrends vor der Digitalisierung noch ein Jahrzehnt, so ist sie jetzt nur noch eine Saison.

Profitieren tun davon nur wenige: Forbes zählt LVMH-Chef Bernard Arnault mit einem Privatvermögen von 189 Mrd Dollar zum aktuell reichsten Mann der Welt. Wenige Konzerne bestimmen darüber, was wir anziehen Als es noch Schneider gab, die von ihrer Arbeit leben konnten, und die meisten Frauen daheim schneiderten, konnte sich eine breite Kreativität entfalten. In der fast fashion Maschinerie sind davon nur noch ein paar Dutzend „Kreative“ übriggeblieben. Sie entscheiden auch darüber, aus welchen Materialien die Klamotten hergestellt werden. So enthalten mittlerweile zwei Drittel unserer Kleider Polyester. Die Kunstfaser setzt dreimal soviel CO2 frei wie Baumwolle und vermüllt Flüsse und Meere mit Millionen Tonnen an Mikroplastik. Der Konsument hat auf den Einsatz von Polyester ebenso wenig Einfluss wie auf Modefarben oder die Arbeitsbedingungen der Näherinnen. Die Herren des Verfahrens sind Milliardäre wie Arnault oder Amancio Ortega (Zara), den vor allem die kurzen Umschlagzeiten bei den neuesten Kollektionen reich gemacht haben. Dass Milliarden Textilien jedes Jahr weggeworfen werden und echtes Recycling der Kunstfasern kaum stattfindet, muss sie nicht kümmern, in die Nachhaltigkeitsindices schaffen sie es ohnehin.

Die Digitalisierung ist der technische Booster für diese Dynamik. Vom Schnitt bis zum fertigen Textil werden alle Produktionsschritte beschleunigt, über Instagram werden die Trendklamotten lanciert, Die kulturell-psychologische Dynamik kommt aus dem Konsum als Lebensinhalt: Wirtschaft und Gesellschaft brechen zusammen, wenn nicht immer mehr gekauft wird, und das Lebensglück hängt von der Menge an käuflichen Gütern ab. Shopping ist Selbstbelohnung und Selbstverwirklichung. In den 90er Jahren flog die Modewelt zweimal im Jahr zu den Messen nach Paris, Mailand oder London, wo die Trends ausgerufen wurden. Zeitschriften wie die Vogue, deren Chefredakteurin Anna Wintour (Der Teufel trägt Prada) zu den einflussreichsten Frauen der Branche zählt(e), bestimmten über den Erfolg von Marken und Designern. Im Printzeitalter dauerte es noch mehrere Jahre, bis sich ein neuer Stil weltweit etabliert hatte. Dafür konnte er sich dann aber durchschnittlich zehn Jahre lang halten. Die Vorabpräsentationen der kommenden Saison fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, kein Smartphone filmte heimlich mit, und alles war bis zum Saisonstart streng geheim.

Heute, im Zeitalter von Instagram, streamen die Marken ihre Fashion-Shows selbst ins Netz. Das Publikum darf dann die vorgelegten Fashion Modelle bewerten und der CEO bestimmt am Ende, was produziert wird. Weil der neue Look, anders als früher, schon kurz nach den Livestreams feststeht, können sich Fast-Fashion-Unternehmen wie Zara dranhängen und ihn massenkompatibel unters Volk bringen. Angeheuerte Mode-Influencerinnen sorgen für den Hype und dessen rasante Verbreitung. H&M, Zara & Co sind einerseits Profiteure des Modekarussells, denn je schneller die Leute ihre Klamotten als altmodisch aussortieren, desto mehr von der neusten Collection verkaufen sie. Als Beschleuniger des Karussells sind sie aber auch ihre eigenen Zuchtmeister: Ein Schritt zu langsam und schon greift die Konkurrenz den Umsatz ab. „Herrenlose Sklaverei“ nannte Max Weber diese Marktmechanismen, weil sie jedem lediglich die zweifelhafte „Freiheit“ lassen, sich ihnen widerstandslos anzupassen.

Für den Konsumenten gilt das genauso. Mode bezeichnet den „gerade vorherrschenden, bevorzugten Geschmack“, sie drückt eine Zugehörigkeit aus und entfaltet eine starke, wenn auch oft nur temporäre Konformität. Weder der Einzelhandel und erst recht nicht die Durchschnittsverbraucher können sich diesem, mit vielen Marketing-Milliarden erzeugten Druck entziehen. Das Modediktat der Großkonzerne ist übermächtig: Deshalb kann das heutige Modekarussell auch kein Ort des individuellen Lebensgefühls sein, das in der Werbung besungen wird. Dass diese Illusion geglaubt wird, ist die eigentlich große Leistung des Marketings. Es sagt uns: Du bist „in“. 99 Prozent kaufen Konfektionsware und halten sich dennoch für Individualisten. Wer heute in Bundfaltenhosen der 90er herumgeht, ist hoffnungslos antiquiert und wird auch so sozial abgestempelt: Du bist „out“. Das persönliche Lebensgefühl ist alles andere als frei, es muss sich modisch permanent anpassen, allein schon, weil frühere Modestile schneller denn je verschwinden und gar nicht mehr erhältlich sind. Nur die wenigsten dürften sich einen Maßschneider leisten können. Und so kommt es, dass der Großteil dessen, was getragen wird, den Geschmacks- und Preisvorgaben der Textilriesen folgt. Nur in diesen engen Grenzen läßt sich persönlicher Ausdruck und Geschmack realisieren.

Die Influencer erzeugen einen nie gekannten Konformitätsdruck, ganz im Interesse ihrer Auftraggeber. Wenn sich etwa Pia Wurtzbach ihren 12 Millionen Instagram Followern mit den neuesten Chelsea Boots von Vagabond zeigt, schnellt deren Absatz in die Höhe. Ihr Sauberimage als WWF und Save The Children Botschafterin färbt auf die Modeindustrie ab. Zudem dirigieren Likes und Shitstorms die User im Sinne des Mainstreams. Jeder glaubt, dass der eigene Look vor einem persönlichen Publikum (Follower) bestehen muss, das man ironischerweise nicht mal richtig persönlich kennt. Es hebt oder senkt den Daumen. Mit der Größe des Publikums wächst auch der Konformitätsdruck. Perfekter kann Anpassung nicht organisiert werden. „Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit“, erkannte schon der dänische Philosoph Søren Kierkegaard vor fast 200 Jahren. Wohlfühlen kann sich da keiner. Der Gruppendruck macht Stress, das Karussell dreht sich unbarmherzig.

Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.

Søren Kierkegaard

Social Media ist dabei ein wichtiger Beschleunigungsfaktor und trägt viel zur Billig- und Wegwerfunkultur der Generation Primak bei. Immer mit demselben Outfit auf Events zu erscheinen, geht nicht. Ein neuer Look muss her und bei Primak ist er eben billig und muss nur einmal halten. „In den sozialen Netzwerken ist die Lebensdauer eines Outfits nur noch ein Tag. So wird inzwischen jedes fünfte Kleidungsstück nur noch einmal oder maximal zweimal getragen,“ hat Tillessen beobachtet. Darunter leidet sogar die Recycling-Branche: „Die Textildiscounter und Fast-Fashion-Anbieter bringen in immer schnelleren Zyklen Mode in zunehmend schlechterer Qualität auf den Markt, die immer schneller entsorgt werden muss.“ Je mehr die Textilkonzerne über Nachhaltigkeit reden, desto größer wird der Berg an Altkleidern, die sich weder für den Second-Hand-Bereich noch für die Putzlappenherstellung oder die Faserrückgewinnung eignen. Nachhaltigkeit scheint sich zum Stichwort für (Selbst)täuschung zu entwickeln. Oder wie passt der fast fashion Trend zu den blumigen Nachhaltigkeitsprosa in Börse online: “Die kaufkräftigen Millennials haben einen gänzlich anderen Luxusbegriff als die Generationen vor ihnen. Grün statt Bling-Bling“. Die Zahlen sagen das genaue Gegenteil.  

Wie lässt sich das Modekarussell stoppen, das mehr Unzufriedenheit schafft als Glücksmomente, das Näherinnen ausbeutet, das die Umwelt verschmutzt und uns im Grunde auch die kulturelle Selbstbestimmung darüber entzogen hat, wie wir uns kleiden? Man kann ganz aussteigen und wie ein Minimalist immer dasselbe Hemd anziehen. Aber wer will das schon? Wir sind soziale Wesen und leiden, wenn wir Außenseiter sind.

Das bedeutet natürlich nicht, dass wir alles mitmachen müssen. Klar, wer sich etwa heute mit einer guten, alten haltbaren Jeans „selbstverwirklichen“ will, kann das gar nicht mehr, weil nur noch zerschlissene produziert werden. Modestile verschwinden über Nacht. Jeder muss aussortieren, und das immer schneller. Dennoch kann sich jeder wie beim slow food für den eigenen Konsum Zeit nehmen, Qualität kaufen. Die Großkonzerne und die Hypes meiden, soweit das möglich ist. Die Billigmarken der Fast Fashion sind die schlimmsten.Dem Dauerfeuer des Marketings entzieht man sich am besten durch Abschalten und durch Treue zum eigenen Stil. Wenn Bauchfrei Mode wird, muss ich das nicht tragen, wenn es mir nicht steht. Wichtig ist auch hier: Weniger ist mehr. Wie bei Biolebensmittel gibt es auch nachhaltigere Modelabel und Textilproduzenten, die es nicht so schlimm treiben.

Wir werden allerdings erst dann anders konsumieren, wenn die Gesellschaft den Konsum anders bewertet, wenn sie den Selbststeigerungsimperativ zurückweist. Denn mit dem Zwang, sich täglich neu erfinden zu müssen, sind immer neue Konsumausgaben verbunden. Da aber die Konzerne die Trends schaffen und die Konsumenten hochgradig steuern, wird sich wenig ändern, wenn sie die Macht behalten.

Was also tun? Die Zerschlagung der Textilkonzerne, die das Modekarussell organisieren, wäre ein wichtiger Schritt. Statt ein paar Dutzend Star-Designer gäbe es auf einmal Tausende kreative Schneider in mittelständischen Firmen. Statt wenige Mega-Events, von denen die Modehypes ausgehen, würde sich die Modewelt radikal regionalisieren. Influencerinnen und Celebrities hätten kaum Einfluss, es gäbe kein ausgefeiltes Lieferkettensystem, der Tross der Textilindustrie würde nicht mehr geschlossen vom Billig- zum Billigstlohnland weiterziehen und die Näherinnen ausbeuten. Um die Konzerne zu zerschlagen, müssten die USA mitspielen und die EU Kommission. Doch begleiten die weitere, tiefere Konzentration der Branche wohlwollend. Aber man könnte es den Konzernen schon schwerer machen, auch mit nationaler Kartell- und Umweltgesetzgebung, wenn man wollte. Für fast fashion steht die Ampel weiterhin auf grün.

 

Cancelt Black Friday

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Frugaler Wohlstand

Selten hat ein Zwischenruf derart Geschichte gemacht. Bei einer Tagung im mexikanischen Cuernavaca im Jahre 2000 konnte sich der Mainzer Paul J. Crutzen, Nobelpreisträger für seine Arbeiten zum Ozonloch, nicht mehr an sich halten: „Hören Sie auf, das Wort Holozän zu benutzen. Wir sind nicht mehr im Holozän. Wir sind im … im … Anthropozän!” Erst verblüffendes Schweigen, dann in der Kaffeepause begann der Begriff zu fliegen, anfangs in Fachkreisen, dann bei einem breiten Publikum weltweit.

Was Crutzen damit meinte? Er hatte plötzlich eine Eingebung, dass die Erdgeschichte in eine neue Epoche eingetreten sei, ins Anthropozän. Die Menschheit sei nun eine geologische Kraft, vergleichbar mit Vulkanausbrüchen und Erdbeben. Denn menschliche Aktivität gestaltet die Erdoberfläche und die Erdatmosphäre grossräumig und dauerhaft. Das reiche von der globalen Klimaüberhitzung und ihren Folgen für Fauna und Flora über die Versiegelung von Böden und Störungen von Wasserkreisläufen, das rasante Schwinden der Artenvielfalt, die Anreicherung von Luft, Böden und Gewässern mit toxischen Substanzen bis hin zu einer rapide wachsenden Zahl von Menschen und Nutztieren. Man muss sich einmal vorstellen, was inzwischen die Forschung sagt: Das Gewicht der vom Menschen geschaffenen Masse, also die Summe aller Industrieanlagen, Häusern, Straßen, Schiffe, Geräte und Müllberge, erreicht in diesen Jahren das Gewicht der Biomasse auf der Erde, also die Summe der Wale, Nutztiere, Insekten, Pilze, Feldfrüchte, Bäume einschließlich der menschlichen Körpermasse!

Angesichts dieses Epochenbruchs entpuppt sich die gängige Rede von der Umweltkrise als reine Augenwischerei: Es dreht sich nicht um Umweltschutz, sondern um Lebensschutz, und dreht sich auch nicht um eine vorübergehende Krise, sondern um eine epochale Katastrophe. Es verlangt eine tiefgreifende Revision der gegenwärtigen Wirtschaft und darüber hinaus der expansiven Moderne insgesamt.

Ein frugaler Wohlstand ist ein Lebensstil und eine Wirtschaftsweise, die Wohlstand und Zufriedenheit auf bescheidene und sparsame Weise erreichen. Obwohl man mit weniger materiellen Ressourcen auskommt und bewusst weniger konsumiert, führt man doch ein erfülltes Leben.

Das Gegenmittel zur expansiven Moderne heißt Suffizienz. Sie steht den technischen Errungenschaften der Moderne skeptisch gegenüber. Ihr zivilisatorisches Projekt besteht darin, die Ressourcen der Industriemoderne mit der Regenerationsfähigkeit der Biosphäre in Einklang zu bringen. Die Tugend der Genügsamkeit hat einen festen Platz von Aristoteles zu Konfuzius in den Weisheitstraditionen der Welt. Sie gilt es im Angesicht des Anthropozän wieder ausgraben. Dies ist umso mehr geboten, als die Strategie der Ressourceneffizienz ins Leere läuft, sobald die Einsparungen von der Gütermengen wieder aufgefressen werden. Effizienz heißt, die Dinge richtig zu machen, Suffizienz heißt, die richtigen Dinge tun. Denn in der expansiven Moderne dreht sich alles um das olympische Motto: um größere Geschwindigkeiten, um weitere Entfernungen, um wachsende Mengen an Gütern und Dienstleistungen. Gegen diesen Strom schwimmt die Suffizienz. Sie wird getragen von der sprichwörtlichen Erkenntnis, dass alles seinen Preis hat. So sind die technischen Meisterleistungen der Industriemoderne nur die eine Seite der Medaille, die andere heißt Ungleichheit und Naturzerstörung. Deshalb plädieren die Befürworter der Suffizienz dafür, mit dem Steigerungsimperativ des „Schneller, Weiter und Mehr“ zu brechen. In dieser Sinne hat die Kunst des Unterlassens Vorrang in der Politik, um die Regeneration des Leben in Natur und Gesellschaft ermöglichen.

Das Gegenmittel zur expansiven Moderne heißt Suffizienz. Gegen das immer „Schneller, Weiter und Mehr“ setzt sie die Kunst des Unterlassens und stellt die Frage: Was ist genug für alle und auf Dauer?

Dabei muss man sich von der populären Unterstellung lösen, die erneuerbaren Energien würden es schon richten, sie seien sogar unendlich verfügbar. Kein Zweifel, der Umstieg auf die Erneuerbaren ist unumgänglich, dennoch lässt sich die Frage nicht unterdrücken, wo und in welchem Umfang? Die Grenzen des Strombedarf müssen angesichts der Kosten für Material, Fläche und Landschaft diskutiert werden. Welcher Nutzen rechtfertigt die Unbill der Windturbinen und Solarzellen? Der Elektro-SUV, mit dem der gut situierter Städter herumfährt? Der Stromverbrauch für das Streaming von Filmen zuhause der Ex-Kinogänger? Oder: all die Containerschiffe aus China und Fernlastzüge auf den Autobahnen, angetrieben von grünem Wasserstoff? Allenthalben kehrt alte, zu oft verdrängte Frage wieder: Was ist genug? Was ist genug für alle und auf Dauer?

Ohnehin sollte niemand davon ausgehen, ein Wirtschaftsmodell, das seit fast 200 Jahren auf fossilen Energieträgern basiert, könnte mit erneuerbaren Energien unverändert weitergehen. Suffizienz wird künftig als technisches Designprinzip betrachtet werden. Autos könnten beispielsweise von ihren Konstruktionsprinzipien her auf mittlere Geschwindigkeiten ausgelegt werden. Was wäre gewesen, wenn etwa das Pariser Abkommen von 2015 die Verpflichtung der 20 Automobilhersteller der Welt enthalten hätte, innerhalb von zehn Jahren kein Auto mehr produzieren, das schneller als 120 km/h fährt? Das wäre ein gewaltiger Bonus gewesen, um das 1.5 Grad-Ziel doch noch zu erreichen. Ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein zu großer Schritt für den Kapitalismus. Stattdessen ist der Anteil von SUVs und Geländewagen an den Neuzulassungen seit 2015 kontinuierlich gestiegen, auf aktuell 29 Prozent in Europa. Groß, schwer, hochmotorisiert, SUVs sind Klimakiller, ein Elektro-SUV ist so widersinnig wie Butter mit einer Kreissäge zu schneiden. Während Verbrennungsmotoren hohe Geschwindigkeiten lange durchhalten können, müssen Elektroautos auf Reichweite achten. Sie sind daher ideale Fahrzeuge für mittlere Geschwindigkeiten.

Selbst ein hochwertiges Recycling würde den Ressourcenverbrauch bei ständig steigendem Konsum nicht absolut senken. Eine lebensdienliche Wirtschaft wird ohne einen Schub an Suffizienz nicht zu haben sein.

Suffizienz lässt sich geografisch verstehen, gerade in Zeiten des Anthropozän. Zum Beispiel: Wie kann man die Hälfte der Erde für die wildlebende Pflanzen und Tiere unter Schutz zu stellen? Das ist die entscheidende Frage für die Biodiversität an Land und im Meer. Wieviel Fläche ist genug für den Menschen? Ein heikles Thema, denn es berührt die Frage, ob es Grenzen gibt für den Bedarf an Wohnraum und für alle Arten von Büro-, Gewerbe- und Verkehrsflächen gibt. In Deutschland jedenfalls ist die Fläche für Siedlung und Verkehr von 1992 bis 2020 um rund 20 Prozent und die durchschnittliche Wohnfläche von rund von 35 auf 47 Quadratmeter angewachsen, fast die Hälfte der Gesamtfläche der Bundesrepublik ist versiegelt. Angesagt ist, mit der bestehenden Bebauung auszukommen, was zu Verteilungskonflikten zwischen Miet- und Luxuswohnungen, Gewerbe- und Grünflächen, Gemeinschaftsgärten und Leerständen aller Art führt. Wie aus einer beschränkter Fläche mehr zu machen wäre, bewegt schon heute die Geister der Architekten, Bürger und Behörden rund um die Idee der „Grüne Stadt“.

Auch in der Wirtschaft ist ein Geschäftsmodell des Weniger längst überfällig. Die Kreislaufwirtschaft, wenn sie denn kommt, ist nicht nur eine Frage des ökonomischen Kalküls, sondern auch eine Frage der Ehre: Mit Ausbeutern, egal ob von Ressourcen oder von Arbeiter arbeitet man nicht zusammen. Zum Beispiel die Textilindustrie. Europa importiert sage und schreibe 63 Prozent der Textilien und 70 Prozent der Modeartikel, vor allem aus Bangladesch, China und der Türkei. Während etwa die Baumwolle für ein T-Shirt aus Pakistan stammt, wird sie dann in der Türkei zu Garn gewebt, in Indien zu Stoff verarbeitet und in Bangladesch genäht, um schließlich auf dem europäischen Markt zu landen. Der übermäßige Verbrauch von Pestiziden in der Baumwollerzeugung, die Wasserverschmutzung durch das Färben der Stoffe und schlechten Arbeitsbedingungen der Näherinnen sind allzu bekannt. Selbst ein hochwertiges Recycling würde den Ressourcenverbrauch bei ständig steigendem Konsum nicht absolut senken. Ressourcen einzusparen ist ein richtiger Weg, aber man kommt um die Erkenntnis nicht herum: Das umweltfreundlichste Produkt ist jenes, das man nicht gekauft hat. Eine lebensdienliche Wirtschaft wird daher ohne einen Schub an Suffizienz nicht zu haben sein. Für den Kapitalismus steht eine Bewährungsprobe besonderer Art an: Nur wenn es ihm gelingt, Wertschöpfung bei abnehmenden Gütermengen zu betreiben, wird er das 21. Jahrhundert überleben.

„Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier“

Mahatma Gandhi

Wer sich gesund ernährt, hat kein Interesse an übermäßigem Fleischkonsum. Es gibt verschiedene Gründe, auf eine massive Reduktion der Schlachtviehbestände zu drängen. Zum einen die Futtermittelimporte, die in Südamerika Biodiversität vernichten. Zum anderen die Tatsache, dass Tiere keine Dinge sind, die sich nach ökonomischer Logik produzieren lassen, sondern empfindungsfähige Lebewesen. So picken Hühner im Freiland nach Futter, bauen Schweine für ihre Ferkel Nester aus Buschwerk, pflegen Kühe besondere Freundschaftsbande zu ihren Artgenossen. All das ist in der Massentierhaltung kaum möglich. Tiere mögen nicht so intelligent sein wie Menschen, aber sie kennen Angst und Einsamkeit, Leid und Langeweile. Pflanzliche Ernährung ist auch ein Ausdruck von Suffizienz, nicht aus Angst vor einer Ressourcenkrise, sondern aus Verbundenheit mit anderen Lebewesen.

Darüber hinaus hat Suffizienz eine kosmopolitische Dimension. Da die expansive Moderne den ganzen Erdball umfasst, ist die Suche nach einem frugalen Wohlstand allseits auf der Tagesordnung. In der Debatte um das Anthropozän verschwindet die „Klassenfrage“ hinter dem Begriff der Menschheit, obwohl inzwischen klar ist, wer derzeit die Hauptverursacher des Anthropozän sind: die 10 Prozent der Hochverdiener in der Welt, die fast die Hälfte der CO2-Emissionen auf der Erde ausstoßen. Sie leben auf allen Kontinenten, zwei Drittel in den USA/Europa/Japan und ein Drittel in den verschiedenen Schwellenländern. Sie alle kommen nicht darum herum, das rechte Maß einüben. Um es mit einem berühmten Zitat von Gandhi zu sagen: „Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier“.

Wolfgang Sachs ist ein renommierter Forscher und Autor, der sich intensiv mit der ökologischen Krise der Moderne auseinandersetzt. Er arbeitete lange für das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Zudem war er Aufsichtsratsvorsitzender von Greenpeace Deutschland und als Lead Author beim Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) von 1999 bis 2001 tätig. Sachs ist ein Vordenker der globalen Debatte um Suffizienz und Postwachstum. Bekannt wurde er 1993 durch den Aufsatz: Die vier E’s: Merkposten für einen maßvollen Wirtschaftsstil. In: Politische Ökologie. 11/33, 1993. Erstens Entschleunigung als das rechte Maß für die Zeit, zweitens Entflechtung als das rechte Maß für den Raum, drittens Entkommerzialisierung für den Wohlstand jenseits des Marktes und viertens Entrümpelung hin zu einer Politik des Weniger.

Sein Beitrag für tachinieren ist eine stark gekürzte Fassung aus dem zweiteiligen Artikel „Frugaler Wohlstand“, der in 11/22 und 12/22 in den „Blättern für deutsche und internationale Politik“ erschienen ist.

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