Schneller, schwerer, gefährlicher

E-Bikes versprachen einst die leise Revolution der Mobilität. Doch die zunehmende Aufrüstung bei Motor, Gewicht und Geschwindigkeit bereiten dem Tachinierer Sorgen. Er will sich nicht fürchten müssen vor schwergewichtigen Power-Bikes, sondern Freude haben am entspannten Radeln.

In den letzten zehn Jahren hat sich der Markt für Fahrräder drastisch gewandelt. E-Bikes sind längst kein Nischenprodukt mehr, sondern bestimmen das Geschehen: Während 2013 nur etwa 15 % der verkauften Fahrräder elektrisch unterstützt waren, liegt dieser Anteil heute bei über 40 %. Der Bestand hat sich seit 2013 auf 11 Millionen versiebenfacht.

Das E-Bike ist eigentlich wie geschaffen für den Tachinierer. Warum sich auf dem Drahtesel abschwitzen, wenn es mit leichter Motor-Unterstützung auch geht? Wer kommt schon gern verschwitzt zur Arbeit? Warum nicht einen sanften, motorisierten Schub für all jene, die Berge fürchten oder längere Strecken scheuen. Und wie wunderbar ist es, dass ältere Menschen auf einem E-Bike ihren Einkauf mühelos vom Markt nach Hause bringen können?

Aber der E-Boom hat auch seine Schattenseiten, denn er verändert den Verkehr: Er wird schneller, unübersichtlicher und gefährlicher. Die Geschwindigkeitswahn greift auf Gehwege und Radwege über. Das hat mit der Übermotorisierung der Power-Bikes zu tun, ein Phänomen, das es beim Pkw schon lange gibt und das dem Individualverkehr jede Gelassenheit geraubt hat. Wir fahren mit 157 PS zum Bäcker, um Brötchen zu holen. Ein Irrsinn.

Die Kombination aus leistungsstärkeren Motoren und größeren Akkus hat das Gewicht der E-Bikes erheblich erhöht. Fußgänger und Kinder müssen nun auch noch den schnelleren E-Bikes ausweichen

Bei den E-Bikes sind die Akkukapazitäten und Motorleistungen in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Vor zehn Jahren waren Akkus mit 400 Wh Standard, heute liegen gängige Modelle bei 625 oder 725 Wh, bei schnellen Varianten sind sogar Kapazitäten von über 1200 Wh möglich. Auch die Motoren wurden kräftiger: Das maximale Drehmoment hat zugenommen. Die Kombination aus leistungsstärkeren Motoren und größeren Akkus hat das Gewicht der E-Bikes erheblich erhöht. Viele Modelle wiegen inzwischen 25 bis 30 kg.

Die Folgen sind verheerend: Lange Zeit sank die Zahl der Verkehrsunfälle mit Fahrrädern, doch seit zehn Jahren, also mit dem Aufkommen der E-Bikes, nehmen sie wieder zu. Und im Mittelpunkt stehen die E-Bikes. Bezogen auf 1.000 Verkehrsunfälle mit Fahrrädern starben 2021 7,6 E-Bikes-Fahrer, bei herkömmlichen Fahrrädern waren es „nur“ 3,5. Dieser Unterschied hat zum einen mit dem hohen Alter der Betroffenen zu tun. Waren die Unfallopfer auf klassischen Fahrrädern im Durchschnitt 41 Jahre alt, sind die verunglückten Pedelec-Fahrer durchschnittlich 55 Jahre alt. Aber auch Kinder sind überdurchschnittlich häufig betroffen.

Klassische Fahrräder bewegen sich mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 15 km/h, abhängig von der Fitness des Fahrers und dem Gelände. Dank elektrischer Unterstützung erreichen E-Bikes mühelos 20 bis 25 km/h, was für die meisten Modelle in Deutschland auch die gesetzliche Begrenzung darstellt. Motorenhersteller wie Bosch bieten Unterstützungssysteme an, die bis zu 400 % der eigenen Tretleistung beisteuern.

Weil die E-Bikes immer weiter aufrüsten, werden sie immer größer, schwerer, leistungsstärker und teurer. Und immer schneller. Wie bei Autos zeigt sich auch bei E-Bikes ein Trend zur Übermotorisierung. Braucht ein Fahrrad wirklich Unterstützungssysteme, die so leistungsstark sind, dass sie fast schon an Motorroller erinnern? Der Geschwindigkeitsrausch fordert seine Opfer. Die Fußgänger sind – wie bei den E-Rollern – immer öfter mit massiven E-Bikes konfrontiert, gelenkt von Leuten, die das Gerät häufig nur unzureichend beherrschen. Die Radwege, die ursprünglich für langsamere Fahrräder ausgelegt waren, sind oft nicht breit oder sicher genug. Sie alle auf schnellere E-Bikes umzubauen, wird erstens nicht funktionieren und verschiebt zweitens den Druck nur auf die Autostrassen, die dann weniger Platz haben und gefährlicher werden.

Wie bei Autos fordert der Trend zur Übermotorisierung auch bei E-Bikes seine Opfer, vor allem Fußgänger, Alte und Kinder. Wir müssen dringend abrüsten.

Das technische Wettrüsten ist auch längst schon zur sozialen Bühne geworden, was die Unternehmen ausnutzen: Viele Käufer sehen im E-Bike ein Statussymbol: Je schneller, cooler und teurer, desto besser. Dieser Prestigewettbewerb hat Folgen. Das Ergebnis ist ein zunehmend ungemütlicher Verkehr, in dem die Schwächsten – insbesondere Fußgänger und Kinder – immer weniger Raum finden, da sie neben Autos und E-Scootern nun auch noch den schnelleren E-Bikes ausweichen müssen.

Wir müssen dringend abrüsten. Das E-Bike hat die Mobilität erhöht, aber die Übermotorisierung und der Geschwindigkeitsrausch machen aus dem Guten das Schlechte. Einmal mehr droht eine technische Errungenschaft durch die unkontrollierte Aufrüstung ins Gegenteil umzuschlagen. Mit dem Anstieg der Durchschnittsgeschwindigkeit gehen nicht nur höhere Unfallrisiken einher, sondern der Stress im Strassenverkehr nimmt weiter zu. Die Vorteile für einige werden zu Nachteilen für die meisten, besonders Kinder, ältere Menschen, Fußgänger.

Dabei gibt es Trends, die zeigen, wie es besser geht. Hersteller wie Fazua und Mahle setzen auf leichtere, kompaktere Antriebe mit geringerer Leistung. Diese E-Bikes sind weniger leistungsstark, aber deutlich leichter, was sie praktischer macht – etwa zum Tragen über Treppen. Nachdem Bosch dieses Segment zunächst anderen überlassen hatte, hat der Marktführer nachgezogen. Mit dem „Performance Line SX“-Motor bietet Bosch ein System speziell für leichte E-Mountain- und City-E-Bikes. Thömus oder Scott kratzen bereits an der 11-Kilo-Marke.

Das E-Bike ist längst ein Statussymbol: Je schneller, cooler und teurer, desto besser. Dieser Prestigewettbewerb macht den Verkehr zunehmend ungemütlich. Die E-Bikes versprachen einst eine leise Revolution der Mobilität und der Freude am entspannten Fahren. An dieses Versprechen sollten sie sich erinnern

Schon beim Pkw haben wir uns von der Autoindustrie in die Übermotorisierung treiben lassen. Gewicht, Größe und PS steigen unaufhaltsam, ohne dass das irgendeinen Vorteil bringt. Wir stecken länger und öfter denn je im Stau, finden keinen Parkplatz und ruinieren die Umwelt. Der Fehler sollte beim E-Bike nicht wiederholt werden. Es muss ein Gewichtslimit und ein Leistungslimit her. Um die Einhaltung der 25-km/h-Grenze zu gewährleisten, sollten Motoren nicht zugelassen werden, die auch das Doppelte ermöglichen. Auch das Gewicht sollte beschränkt werden, um Gebrechliche und Kinder zu schützen. Damit wäre der Wettbewerb um immer mehr Leistung und Geschwindigkeit gestoppt. Verkehr sollte nicht vom Statusdenken, sondern von Rücksichtnahme geprägt sein. Lass uns zurückkehren zu einer Welt des Radfahrens mit Komfort, Leichtigkeit und Entspanntheit. Die E-Bikes versprachen einst eine leise Revolution der Mobilität und der Freude am entspannten Fahren. An dieses Versprechen sollten sie sich erinnern.
 

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